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    Ensemble Leones
    "The Cosmopolitan - Lieder von Oswald von Wolkenstein"


    Ich gestehe, allzuviel Lust hatte ich nicht, eine weitere Aufnahme mit Liedern Oswalds zu hören und zu rezensieren. Scheint doch „Ossi“ gerade wieder in Mode gekommen zu sein - und doch wird immer wieder dasselbe Oswald-Bild präsentiert: derb, deftig, raubeinig und raubrittrig. Die Tatsache allerdings, dass vom Ensemble Leones bereits einige sehr hochwertige CDs zu hören sind, darunter eine mit Lieder des Sängers Neidhart (welche ein ebenso etabliertes Bild des „dörflichen Neidharts“ empfindlich beschädigt hat), sowie einige mir bekannte Artikel Marc Lewons, die sich mit Minnesang und Oswald von Wolkenstein beschäftigen, haben meine Neugier auf den „Cosmopolitan“ geweckt.

    Ein Blick auf die Tracklist offenbart dann allerdings auf den ersten Blick zunächst nichts Überraschendes. Aber halt - der Eindruck täuscht! Obgleich sich einige Oswaldsche Klassiker in der Playlist finden („Wol auff, wir wellen slauffen“, „Ach senliches leiden“, „Nu rue mit sorgen“ u.a.) fallen einige (mir) unbekannte Werke ins Auge, wie zum Beispiel das äußerst raffinierte „Herz, prich“ oder das hier instrumental gespielte „Ich klag“, welche bisher nur sehr selten eingespielt wurden. Einige andere Stücke („Wol auff, wol an“, „Mit gúnstlichem herzen“, "Bog de primi" und „Durch aubenteuer tal und perg“) sind sogar Ersteinspielungen!

    Nach dem Durchhören wird klar: hier wurde (wieder einmal) ein Klischee gebrochen. Nicht um des Brechens willen - sondern um Facetten Oswalds musikalischen Werkes auszuleuchten, welche bisher im Bild des Raubeins verborgen blieben: Oswald bediente sich bekanntermaßen in vielen Liedern französischer, zeitgenössischer Chansons und somit an Werken der damals aktuellen Hochkultur. Dementsprechend hat das Ensemble Leones auch die auf dieser Einspielung vorherrschenden einstimmigen und zweistimmigen „organalen“ Stücke behandelt: als feinsinnig vorgetragene Stücke der Hochkultur, deren oft durchaus derber Text aber eben nicht vordergründig die Interpretation bestimmt.

     

    In dem erzählerischen „Durch aubenteuer berg und tal“ nimmt Oswald wahrlich kein Blatt vor den Mund, wenn er von seinen „Erlebnissen“ im Knast berichtet. Die Beschreibung seiner Mithäftlinge ist überaus - farbig - ausgefallen. Leones aber setzt dieses Drastische nicht auch noch auf die Musik obenauf - sondern interpretiert erzählerisch. Marc Lewon trägt zur Begleitung von Fidel und Laute das Stück mit einem durchaus angemessenen leicht nöligen Timbre alle 15 Strophen konsequent vor. Die Melodie wird dabei zum bloßen Beiwerk - zum Träger des Textes - die Begleitung fügt sich unterstützend ein und spielt sich nicht in der Vordergrund. Mag sein, dass es durchaus bessere Sänger gibt - man denke an die Oswald-Einspielung von Andreas Scholl - aber ich glaube, es gibt derzeit keine besseren Erzähler-Sänger als Marc Lewon - zumindest, was das Œuvre deutschsprachiger Musik des Mittelalters angeht. Der eher ruhige, besinnlich-emotionale Ton zieht sich durch die ganze CD. Oswald hier als reuiger „Knastbruder“ (Durch aubenteuer …), als herzlich-inniglich in seine Frau Margarethe verliebter Ehemann (Gar wunniklich hat si mein herz besessen), als Dichter (fast) klassischen Minnesangs (Es seusst dort her von Orient) und als vielsprachiger Kosmopolit (Do fraig amors, Bog de primi). Bei manchen Stücken, wie z.B. dem bekannten Kanon „Nu rue mit sorgen“, hier in einer seltenen dreistimmig besetzten Fassung, wusste ich beim Hören nicht, wohin mit mir, mit den Emotionen, welche das Stück in mir weckte. Tanzen geht ob des untänzerischen Duktus der Aufnahme nicht, bleibt ein aus tiefster Seele kommendes „Ja, wie geil ist dass denn?“ um der Begeisterung Ausdruck zu verleihen. Zum Tanzen kommt man schließlich doch noch - in der wunderbaren Kombination aus einer instrumental gespielten Fassung des Alltime-Klassikers „Wol auff, wir wellen slaufen“ mit dem eher unbekannten, gesungenen „Bog de primi“.

    Um zu einen Abschluss zu kommen: ich bin froh, meine anfängliche Unlust, eine weitere Oswald-Aufnahme anzuhören, überwunden zu haben und kann diese CD jedem empfehlen, der gewillt ist, sich überraschen zu lassen und seine (Vor)Urteile über Oswalds Musik in anderem Licht zu betrachten. (mu)





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